Archiv, Elma, Mantra, Bobjack und Hammond

Hulot am 26. Januar 2022 in Schnipsel.

Archiv, Elma, Mantra, Bobjack und Hammond

Herr Klagefall fragt nach alten Stories. Ich schaue ins Archiv und finde Texte, Gedanken, Bilder, Notizen. Fühlen sich alle an, als hätte sie jemand geschrieben, der mit mir nichts zu tun hat. Die eine oder andere gefällt mir wahrscheinlich genau deshalb. Daher rette ich das Beste hierher. Schlagwort »Klassiker«. (Wenn ich es nicht vergesse.)

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Ein Mitglied meines Teams hat vor vier Wochen versucht, mich emotional zu verletzen, weil es nicht bekam, was es wollte. Fast wäre es ihm gelungen. Jetzt ist es raus. Habe es heute so etwas wie verabschiedet. Oder um es mit dem weisen Elma, dem klugen marrokkanischen Schlosserei-Hilfsarbeiter meiner Jugend zu sagen: »Es geht vorbei«. Ist der liebenswürdigste und herzenswärmste Mensch, dem ich je begegnet bin. Wie wenig er weiß, wie viel er mir bedeutet.

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Müde.
Müde ist gut.
Müde bedeutet nicht erschöpft.
Müde bedeutet Tiefe. Gehalt. Farben. Orte.
Müde ist das Ende vorm Anfang.
Müde ist gut.
Müde.

(9. Januar 2017)

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Irgendwann haben sie nicht mehr angerufen. Bobjack und seine Hammond-Orgel waren draußen, kaltgestellt, einfach so. Die Varietétheater nannten sich nun Club und wollten nur noch diese muffigen Gitarreros auftreten lassen. Alle sollten sie die nächsten Beatles oder Stones sein, ganz gleich was sie von sich gaben. Hello Goodbye, Stairway to heaven, Satisfaction, oder einen selbst zusammengestümperten Krawall aus all dem. Lange Haare, zwei Akkorde, Pose statt Haltung, laut, billig. Bobjack hingegen hatte die Großen drauf, egal ob Hammond oder Theremin. Liberace, Elvis, Kaempfert, sogar ein selbst gestaltetes Bacharach-Beethoven-Medley. Wollte angeblich niemand mehr hören. Stattdessen sollte nur noch das Universum transzendiert werden. Das Universum. Unter dem lief nichts, dagegen kam einer wie Bobjack nicht an. Und transzendiert – ist das überhaupt ein richtiges Wort? Ruhig bleiben. Als Bobjack seine Arme und Hände entspannte, seufzte die letzte Luft aus Rodneys Brustkorb. Mitten hinein in dieses seltsame Universum. Vorsichtig legte er den schlaffen Körper des Sängers zwischen die unzähligen Instrumentenkoffer, Flaschenkisten und Kulissenteile. Dann ging er nach Hause, machte sich einen Tee, bügelte seinen Auftrittsanzug und stellte das Telefon neben die Hammond. Er wollte unbedingt vermeiden, dass er den Anruf des Manager des Mocambo verpasst, während er das Kabel wieder an sein Instrument schraubte. Gerüchtehalber würde seiner Hauptattraktion der Sänger ausfallen. Wahrscheinlich Halsschmerzen. Geht ja schnell bei den jungen Leuten von heute. Schon eine komische Sache dieses Universum. Nein, das kann unmöglich ein echtes Wort sein. Transzendiert. Klar Larry, für dich habe ich immer Zeit. Kein Problem. Auf mich kann man sich verlassen. Acht Uhr ist in Ordnung. Bis dann!


Photo by Cinescope Creative on Unsplash

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