Lese gerade wieder Winston Churchills »Reden in Zeiten des Krieges«. Ertappe mich dabei, wie ich die damalige Krise – Hitler zieht die Schlinge um Dünkirchen immer enger, die Furcht vor der Invasion wächst und auch die Abhängigkeit vom Rest des Dominions – mit der heutigen vergleiche. Und wie mich das für einen kleinen Moment neidisch macht. Da ist ein Gegner, ein Feind gar, der sich klar definieren lässt. Dem man beikommen kann, weil er im Grunde genau so ist wie man selbst. Vielleicht in der Überzahl, vielleicht technisch besser ausgestattet. Aber man kann clever sein. Bündnisse schmieden, etwas anbieten, sich unterstützen. Menschen hinter sich versammeln. Auf einen Zielpunkt hin steuern. Sinn stiften. Politik von einem Standpunkt der Vernunft aus betreiben.
All das ließe sich natürlich auch über einen Diktator schreiben. Der Unterschied ist, ob man vernünftigerweise annehmen darf, dass das Geleistete von den kommenden Generationen einer kritischen Betrachtung stand hält. Ich denke, Winston liegt hier mit zehn Runden Vorsprung vor Adolf, Josef, Benito und wie sie alle hießen und heißen in Führung.
Ich mag Churchill auch gerade deshalb so sehr. Er ist ein zutiefst widersprüchlicher Charakter, Anti-Kommunist durch und durch, weil er weiß, dass der Kommunismus mit Seinesgleichen kurzen Prozess machen würde. Ein Staatsmann, der aus der Position überwältigender Hegemonie heraus agiert. Der sich von Depressionen und dem ständigen Gefühl, nicht zu genügen, in kleinen Kammern versteckt und schon zum Mittag harte Drinks zu sich nimmt. Ein Geistesmensch, der sich zu vermarkten wusste. Aber auch jemand, der Verantwortung übernommen und sich seiner Aufgabe untergeordnet hat. Der auf gewisse Weise eitel war, es sich aber hundertfach verdient hat. Und der Europas Einigung als erstrebenswertes Ziel ansah, was ein ganz seltsamer Treppenwitz zu sein scheint, wenn man an Brexit und Boris Johnson denkt, der seinerseits sogar Bücher über Churchill geschrieben hat.
Vielleicht ist es wichtig, immer weiter zu machen und dabei besser werden zu wollen. Immer nur »genau so« weiterzumachen, führt in den Abgrund. Immer besser werden zu wollen, ohne aktiv zu sein, das heißt: ohne Fehler zu agieren, ist der nutzlose Wunsch eines ängstlichen Geistes.
Ich hoffe, dass kommende Generationen die richtigen Schlüsse aus dem Scheitern meiner ziehen.
Mir bleibt nur der eine Rat: Never surrender.