16. August 2021

Hulot am 16. August 2021 in Texte.

Vom Zweifeln und Verlieren bis zum Sieg – Alles Gute zum Geburtstag, Chinaski.

16. August 2021

Rheinland-Pfalz, Herbstferien, Autorundreise. Es ist Abend. Wir schlafen in der Ferienwohnung einer Bäckerei. Verfließte Außenwand, Blick auf den Rhein, großartiges Essen, mit lokalem Wein herunter gespülte gute Vorsätze zum Thema Trinken. Gespräche über den morgigen Tagesplan. Ortsnamen, Gegenden, Sehenswürdigkeiten, Gute Nacht. Action. Als ich mich später zur Seite rolle, fällt mir ein, woher ich diesen einen Namen kenne.

Charles Bukowski kam hier vor ungefähr hundert Jahren zur Welt. Soldatenkind. Mit drei Jahren nach LA übersiedelt. Dort geblieben. Der Weißwein in meinem Kopf dreht noch ein paar Runden weiter. Du erschreckst, als ich Andernach! rufe. Dann schlafen wir ein, zusammen. Draußen schiebt sich ein Frachter den Fluss hinauf. Gänserufen. Gute Welt.

Bildbeschreibung

Lese gerade wieder Bukowskis Briefe. Ständig pleite, ständig am Ende, ständig am Schreiben. Entschuldigt sich andauernd für sein Unvermögen. Im Grunde geht es ihm hier wie jedem, der mehr als drei Absätze hintereinander schreibt und sie anderen zeigen will.

Muss an Thomas Bernhards Briefe an seinen Verleger denken. Auch ständig pleite, aber nicht vom Trinken, sondern vom Häuser kaufen, sammeln, renovieren. Sehr europäisch. Bernhard lebte aber im Vergleich zu Buk wie ein Graf.

Muss an Stephen King denken. Hat als Junge den Film The Pit and the Pendulum gesehen. Und einen eigenen Roman dazu geschrieben, selbst vervielfältigt und an seiner Schule vertickt. Witzige Sache, ein Buch zu einem Film zu schreiben, der auf einem Buch basiert. Und dann auch noch Edgar Allen Poe. Also Champions League. Sein Direktor und Lehrerin fanden das nicht lustig. Er musste die ganze Kohle zurückgeben, immerhin 9 Dollar, umgerechnet 7 Kinobesuche inklusive Popcorn und Cola! Geblieben sind ihm zwei Dinge: Bock aufs Schreiben und der Satz der Lehrerin im Ohr: Warum schreibst Du nur so einen Dreck? Mach doch etwas Richtiges aus Deinem Talent! Hat ihn bis in seine Vierziger gequält. »Ich verschwende mein Talent«. Sehr schreiberesk.

Auch Bukowski kannte seine Schwächen. Gute Sache. Macht einen Mann stark, das zu wissen. »…aber letztlich sehen sie mein Zeug gar nicht mal als Lyrik an«, schreibt er 1953 an Judson Crews. »Ich verstehe sie [seine Kritiker - H.] sogar. Grundidee ist da, aber es hapert an der Umsetzung. Ich weiß nie, wie was funktioniert«.

Ein Jahr später an Caresse Crosby:

»Sie überschätzen meine Bildung […] ich bin nicht mal ein richtiger Künstler, mir ist klar, ich mache allen nur was vor. Ich schreibe aus einem Bauchgefühl heraus: Ekel, beinahe zu hundert Prozent. Aber wenn ich sehe, was die anderen so machen, gibt es keinen Grund, damit aufzuhören. Was sollte ich denn sonst tun?«

Besser kann man den Urgrund des Schreibens und natürlich auch des Bloggens nicht zusammenfassen. Und dann haut er so ein Ding raus:

Stil bedeutet, keinerlei Schutzschild.
Stil bedeutet, keinerlei Fassade.
Stil bedeutet völlige Natürlichkeit.
Stil bedeutet, als Mensch allein unter Milliarden anderen zu sein.

Danke, dass du mir zeigst, dass ich auch Zweifeln darf. Dass nicht weiter zu machen. dass zu flüchten keine Option ist. Auch beim Schreiben. Trage ich gerne weiter.

Das Wichtigste: Alles Gute zum Geburtstag, Champ. Don't try – verstehe.


Titelbild von The New York Public Library on Unsplash

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