23. August 2021

Hulot am 23. August 2021 in Texte.

»Wir leben nicht, um zu glauben, sondern um zu lernen.« (Dalai Lama)

23. August 2021

Regen. Nicht dieses prostatalachende Herumgesprühe der letzten Sommer. Eher Kategorie Georg Christoph Lichtenberg: »Es regnete so stark, daß alle Schweine rein und alle Menschen dreckig wurden«. Als ob Gott vorhätte, die Tieflandsbucht zu ersäufen. Eigentlich wollte er solche Stunts ja nicht mehr bringen. Aber nichts ist so vergänglich, wie ein guter Vorsatz. Vor allem, wenn man zur Unendlichkeit verurteilt ist.

Ich saß einmal mit einem Mönch in einer Klassenstufe. Er hatte im Osten irgend einen Chemiker-Beruf gelernt, dann eine Weile darin gearbeitet, bis er zu seinem Gott gefunden hat. Jetzt holten wir zusammen unser Abi nach. Weiß der Kuckuck, wofür. Vielleicht um Oberbraumeister in seiner Truppe zu werden, schließlich gehörte er einem Orden an, der sich was auf sein Bier einbildete. Oder braucht man für den Himmel jetzt auch eine Hochschulzugangsberechtigung? Dann wäre es eng für Massar geworden, der, davon bin ich heute noch überzeugt, die Originalvorlage für Rajesh Koothrappali war und uns als eingefleischter Moslem alle unter den Tisch getrunken hat, was dazu führte, dass er nur die Hälfte der Zeit im Unterricht war und auch nur die Hälfte dieser Zeit wach. Versteh einer den Glauben.

Einmal fragte ich den Mönch, ob man sich darauf verlassen kann, dass Gott sich an sein Wort hält. Immerhin hat er sich ja schon einmal vorgenommen, hier unten für das »Ende allen Fleisches« (seine Worte!) zu sorgen. Schublade auf, Sintflut raus. Harter Neustart mit einem neuem Betriebssystem auf Süßwasserbasis.

»Und dann hat er es sich anders überlegt«, meinte der Mönch. »Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe, sprach der Herr. Erstes Buch Mose 8,18.«

Aus dem Stand. Respekt.

»Aber wenn er es sich schon einmal anders überlegt hat«, fragte ich weiter, »was, wenn er es wieder tut?«

Die Frage war ihm zu blöd. Wahrscheinlich war das bisschen Religion, das ich als sozialistisch sozialisierter Atheist aufgeschnappt hatte, unter seinem Niveau. Zu wenig, woran man anknüpfen konnte. Und dann auch noch bei so einem Kosmonauten-Kind. Was sagte damals Gagarin nach der Landung? »Ich bin in den Weltraum geflogen – Gott habe ich dort nicht gesehen«. Von so einem Fanboy lässt man sich nicht verscheißern, wenn man jeden Tag die Kutte überwirft und damit in die S-Bahn steigt.

Er drehte sich um und ließ mich stehen. Machte er übrigens auch in den Chemie-Stunden. Habe bis heute nicht begriffen, wie das alles funktioniert. Alles was über »Sodbrennen? Natron einwerfen, das neutralisiert (börps)« geht, ist mir zu hoch. Eher hätte mir meine Großmutter einen Rodelberg zum Geburtstag geschenkt, als dass ich in Stöchiometrie einen Stöch gesehen hätte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte mir die Sachen erklärt. Vielleicht nichts. Unter Umständen aber auch ganz was Wundrbares.

Die einen tanzen um Regen, die anderen haben einen Schirm. Das habe ich letztlich gelernt. Verrückte Welt. Aber auch dieser Regen geht vorbei. Und Unkraut ist auch eine Blume. Leider ist das der einzige Trost, den ich für Dich habe, mein Freund. Alles Gute für Deinen Vater, lieber S.


Photo by Seyedeh Hamideh Kazemi on Unsplash

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