Die Drei Minuten Oper

Hulot am 13. August 2021 in Texte.

Got Milk?

Die Drei Minuten Oper

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Klägliches Ding Dong, fast absterbend. Die Batterien am Türwächter sind hinüber. Schritte, zwei Personen. Ich überlege, auf welches Müsli ich morgen Lust haben könnte. Die beiden gehen gleich zur Kasse. Was mit Früchten? Die Neonlampe flackern. Macht mich verrückt. Milch brauche ich auch noch. An der Kasse geht der rasende Rudi wieder leer aus. Max verkauft ihm keinen Alkohol mehr. Rudi nahm immer drei Flaschen, zischte die erste schon im Laden, die zweite davor und mit der dritten in der Hand lief er singend über den Parkplatz bis die Polizei kam. Ohne Hosen. Rudi, nicht die Bullen.

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Ich hasse warme Milch.

»Max? Am Kühlregal hat wieder jemand die Tür offen gelassen. Die Milch ist wahrscheinlich schon wieder nur Quark!«. Keine Antwort.

»Max?«

»Geht gleich los, habe hier noch was zu erledigen!«

Ich nehme die letzte Flasche und gehe zur Kasse. Max bedient die beiden Schleicher. Rudi stolpert an mir vorbei, rempelt mich an. Neun komma acht zwei Meter pro Quadratsekunde Beschleunigung auf 120 cm. Einfache Kopfrechnung: Der Flaschenboden verliert gegen den Fußboden. Glasscherben. Milchpfütze. Abend hinüber. Schuhe auch. Rudi ist weg. Einer der Schleicher dreht sich um.

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Guten Abend. Durchmesser neun Millimeter.

Flashback Bundeswehr-Wissen: Die Pistole ist die Waffe des Offiziers. Besonders wirksam in beengten Situationen. Aufgrund ihrer kurzen Bauweise kommt sie überall hin. Schnell. Flexibel. Angenehm stark im Durchschlag. Aber nur wenn du sie selbst hältst.

Flashback Vater: Wenn Du nah genug an den Schützen kommt, hat er verloren. Dann hat er keine Chance mehr. Zwei Zentimeter am Arm gerüttelt bedeutet, dass er das Ziel um mehrere Meter verfehlen wird. Musst nur entschlossen sein.

Beide Informationen so sinnvoll wie die Angabe »You are here« auf einem Foto der Milchstraße, wenn dir irgendwo am Arsch der Welt der Sprit ausgeht und du eine Tankstelle suchst.

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Rasselnd gesellt sich der Müsli-Karton zur Milchpfütze. Acht Stunden zu zeitig. Ein paar Straßen zu weit von meinem Frühstückstisch entfernt. Jetzt sieht auch der andere Schleicher zu mir. Max fingert Scheine aus seiner antiken Kasse. Soll dem Späti wohl etwas Kaufmännisches verleihen. Ironie und so. Nichts auf der Theke. Die beiden sind also nicht zum Bezahlen da. Und weil es hier keine gibt, brauchen sie sicher auch keinen Euro für den Einkaufswagen. Aus dem Lautsprecher streamt Deutschpop für Feuilletonisten, die schon vorm Studium geistig frühverrentet waren. An was man so alles denkt.

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»Du willst mich doch verarschen?«. Schleicher Eins hatte sich offenbar mehr von dieser Aktion versprochen. Späti im Studentenviertel. Da muss kurz vor Schluss der Sack hinter der Kasse so voll wie der Klomann im Pub nebenan sein. Armer Idiot. Kann sich nicht vorstellen, dass die Wohnheim-Charlotten und WG-Benjamins hier nur herkommen, um Billo-Bier zu kaufen. Drei Tage vor Monatsende sind auch bei denen die Kleingeldbüchsen auf der Schlachtbank.

»Kasse…leer…nachsehen…selber«. Max stammelt wie ein deutscher Tourist im Ausland außerhalb seines All-Inclusive-Bunker. Eins schaut rein. Zwei noch immer mich an. Eins sieht Leere. Zwei ebenso.

Der Lautsprecher: »…ich vergesse nie den Moment…«. Humor hat er ja.

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Ding Doooo… tot. Kleineres Problem. »Komm schon Max, eine Pulle, wegen der alten Zeiten!«. Rudi. Größeres Problem. Die Schleicher drehen sich um. Im Film würde ich mich jetzt beherzt auf einen der beiden stürzen und mehrere Hausratversicherungsfälle später wäre die Situation bereinigt. Ich tue genau nichts. Heroisch. Max geht in Deckung. Rudi fällt nach einem Bodycheck gekonnt in das Regal mit Tütensuppen. Die Schleicher haben es eilig.

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Ding. Rudi bietet an, die Pfütze wegzuwischen, wenn ich ihm einen Gefallen tun könnte. Einfach nur drei Bier…ginge das? An was man alles so denken muss. Vorhang.


Photo by NeONBRAND on Unsplash

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Flash Fiction