Und draußen pfeifen die Ratten unser Lied

Hulot am 3. Februar 2023 in Texte.

Und draußen pfeifen die Ratten unser Lied

Es ist niemals richtig hell geworden. Das Universum ist in einen ausgekotzten grauen Brei gefallen. Mitten rein in die Kloschüssel. Anders lässt sich das nicht erklären. Da suchen Wissenschaftler nach dunkler Materie, die keiner sehen kann, die dich in tausend Stücke zerfetzt, wenn du zu nah ran gehst, nach irgend einem Schmant, der das Ganze zusammenhält. Und dann stellt sich raus, dass es diese graue Pampe ist. Wir leben in einer riesigen Sülze, sage ich ihr, und halten uns für die Krone der Schöpfung. Baby, wenn es wirklich dunkle Materie geben sollte, dann in uns.

– Geh zum Arzt, meint sie. Lass dir mal Zündkerzen auswechseln. Das erträgt ja niemand mehr. Oder schreib das auf. Je nachdem, was dich unglücklicher macht.

– Baby, ich bin Künstler. Da gehört eine gepflegte Meise zur Grundausstattung. Hättest du 'nen Immobilientypen anstatt meiner bekommen, säßest du jetzt irgendwo in der Pampa an einem See und wüsstest nicht, ob dein Stecher segelt oder seine Sekretärin pimpert. Bei mir kannst du dir sicher sein, dass ich den einzigen Menschen, den ich ertrage, nicht bescheißen würde. Das ist 'ne universelle Konstante. Glaub mir das mal.

– Universelle Konstante? Ich sehe dich hier nur abhängen, von den alten Zeiten schwärmen, Kopf im Sand. Bist du mein Vogel Strauß?

– Was hast du gegen Strauße?

– Nichts. Sind halt nur pro forma Vögel. So wie du. Nur pro forma Künstler. Wer nicht fliegen kann, ist nur ein fettes Schwein mit Federn.

– Aber hat große Eier. Kann ich mit leben, Baby. Bring mir einfach noch ein Bier mit.

Als sie mit ihren kleinen nackten Füßen über den Boden tänzelt und den Plattenspieler anstößt, springt die Nadel vom Gebrabbelsang eines Schamanen auf die unerträglich zuversichtliche Melancholie eines dudelnden Akkordeons. Keine Ahnung, was das für eine Platte ist.

Statt Bier bringt sie mir einen Wein. Am Glas kleben noch Reste von Lippenstift und Haferflocken, was solls. Liebe geht durch den Magen.

Ich gehe ans Fenster und blicke in den Hinterhof. Zwei Katzen balgen sich um ihren Lieblingspissfleck. Oder einen toten Vogel. Aus der Mietskaserne gegenüber winkt mir vom Balkon ein Sonnenschirm zu. Wenigstens einer, der noch nutzloser ist als ich.

Es wird langsam dunkel. Gott sei Dank.

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