Hab gestern wenig positiv über Düsseldorf berichtet. Liegt nicht daran, dass es hier schlecht ist. Ganz im Gegenteil. Bin einfach nur ratlos. Ein eckiger Pflock in einem runden Loch. Deutlich: Ich habe hier bisher nur nette Menschen getroffen. Will gar nicht darüber nachdenken, woran das liegen könnte. Lieber zukünftig auch so sein. (Wahrscheinlich am Alt-Bier.)
Ausflug nach Essen. Es braucht die Balance von Technik, Kultur und Religiosität. Mit The Kid zu reisen beinhaltet auch immer die Suche nach Orten, an denen man die Existenz von Schmierfett wenigstens spüren, besser riechen kann. Peenemünde. Der Maschinenraum der Tower Bridge. Technikmuseum da und dort. Je größer die Gewindegänge, desto glücklicher. Er auch.
Heute: Zeche »Zollverein«, stillgelegt, UNESCO-Welterbe. Backsteine soweit das Auge reicht. Viel Grün. Kein Qualm, kein Lärm, kein Elend. Der Ausfall mehrerer Dimensionen wird durch Museen kompensiert.
Wer damals hierher kam, wusste nichts von Globalisierung oder Transformation. Das Essen brachten die Kinder ans Tor. Die Wahrheiten waren einfach. Die Heimat entweder fern oder eine rußverkleisterte Kleinraumwohnung am Rande des Kapitalismus. Vielleicht die letzte Sicherheit der schon sterbenden Bundesrepublik.
Dass Deutschland zwischen Reichsgründung und dem Ersten Weltkrieg eine ernstzunehmende Größe wurde, verdankt es auch der Kohle, die hier aus der Erde gerissen wurde. Insgesamt hat man im Ruhrgebiet um die 18 Millarden Tonnen Materie bewegt. Das Anthropozän war an Halde und Tagesbruch ablesbar.
Derweil feuerten 350 Millionen Jahre alte Urwälder die Hochöfen an, um Stahl für Kanonen zu produzieren, damit sich Europa wieder ganz an den Anfang bomben konnte. Im Westen nichts Neues. Im Osten auch bloß nicht. Sozial war, was Arbeitsplätze schuf. Patriotisch, wer es dem Meistbietenden geben wollte.
Vor einer kleinen SA-Kaserne stehen noch kleinere SA-Männer aus Elastolin. Kinder spielten damit. Eine Spende an das Museum, damit sie nicht "in falsche Hände geraten". Daneben: Ein Band mit Lithografien von Chagall. Jemand hat die Namen seiner jüdischen Familie darin notiert. Und wann sie wo ermordet worden sind. Eine Spende an das Museum, damit sie in die richtigen Herzen geraten.
Zwischen Himmel und Erde vergisst man die darunter.
Currywurst mit Pommes und Mayo. Das Hausgericht. Die Imbissfrau nennt mich Schätzchen und ich bin sofort ein bisschen verliebt.
Die Ausstellungen des Ruhr Museums konnten keinen besseren Ort als diese Zeche finden. Manche Räume sind so verfinstert und rau, dass man sich in einer Schatzkammer wähnt.
There was a time when Saruman would walk in my woods. But now he has a mind of metal, and wheels. He no longer cares for growing things.
Das Ruhrgebiet ist ein stolzes Land, sagt Helge Schneider in einem Ausstellungsvideo. Ich würde weiter gehen und sagen, dass es sogar ein kleiner Kontinent ist. Kein Wunder, dass es stets so hart umkämpft war. Frage mich gleichzeitig, was uns als Deutsche eigentlich verbindet. Sehe lauter Gegenteile meiner eigenen Herkunft. Leutseligkeit, Bodenständigkeit, Fleiß. Alles Begriffe, die ich den kleinkarierten, dauernörgelnden, wadenbeißenden Sachsen nicht zukommen lassen würde.
Fühle mich unendlich wohl hier. Gegensätze und Anziehung. Ist was dran.