Impfpflicht und warum ich das für so gefährlich halte

Hulot am 18. November 2021 in Texte.

Wie schön wäre es, besäßen wir einen wohlmeinenden Tyrannen. Haben wir aber nicht. Daher müssen wir selbst denken. Heute mal keine Erregung.

Impfpflicht und warum ich das für so gefährlich halte

Zugegeben: "Ich Tarzan, Du Ja nee" war ein Rant. Manchmal muss der Dampf aus dem Kessel. Über den nun gemütlich glühenden Kohlen mache ich mir natürlich auch richtige Gedanken. Los geht's. Quick and dirty.

Pflicht: Ethik vs. Gesetz

Wenn ich mich moralisch daneben benehme, reagiert mein Umfeld darauf durch vorsichtige Ansprache, gerüttetes Anschnauzen oder gnadenlosen Abschuss. Das geht in Ordnung. Moralische Werte sind dynamisch und nicht immer eindeutig.

Verstoße ich gegen ein Gesetz, werde ich auf eine allgemein, das heißt überall, für alle, allzeit gültige, möglichst hinreichend eindeutige Regel festgenagelt und kassiere eine Strafe. Passt. Daran kann man sich ausrichten. Die Regeln konnten allen schon vorher klar sein.

Moralische Regeln sind Wildwuchs. Das macht sie überlebensfähig, aber eben auch schwierig anzuwenden.

Gesetzliche Regeln, die mich einschränken, müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Man darf hier nicht mit Kanonen auf Hulots schießen. Bevor da der Knopf gedrückt wird, muss erstmal zum milderen Mittel gegriffen werden. (Tipp: Bei mir hilft kopfkraulen.)

Klasse Spielregeln des Rechtsstaats. Sollten wir nicht riskieren. Bei moralischen Regeln sieht das anders aus: Die sind lediglich geboten. Halte ich mich nicht dran: Pech gehabt, Gesellschaft.

Die moralische Komponente »Verantwortung für andere übernehmen« greift erst dann, wenn die Impfung gegen X auch Dritte schützt. Dieser Prämisse müssen sich alle Impfungen, Behandlungen, Eingriffe stellen. Aktuell ist die COVID-Impfung ein individualwohlbezogenes Werkzeug zur Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe, aber kein nachweislich gemeinwohlbezogenes. Es sieht zwar danach aus und ich wünsche mir, dass es so wäre. Aber es ist noch nicht belegt. So lange man trotz Impfung andere Leute anstecken kann, fällt dieses Argument aus. Letztlich kann man das dann aber wenigstens gesunden Egoismus nennen.

Daher kann mit Blick auf Impfpflicht nur moralisch, nicht gesetzlich argumentiert werden, denn was will man erreichen? Dass der Einzelne nicht schwer erkrankt? Das ist auf den ersten Blick eine wohlmeinende Zielsetzung. Betrachtet man die andere Seite dieser Intention, ergibt sich ein Widerspruch zur verfassungsgarantierten freien Entfaltung der Person. Ja, in einer liberalen Gesellschaft exisitiert damit auch implizit das Recht auf's Abwracken des eigenen Körpers.

Aber: Sobald erwiesen ist, dass eine Impfung vor Weiterverbreitung schützt, werden die Karten neu gemischt. Dann ist eine Impfpflicht das Mittel der Wahl, um Menschen, die sich nicht impfen lassen können, vor einer Infektion zu schützen! Und hier muss man auch global denken. Madagaskar hatte 2019 eine der größten Masern-Epedemien seit Jahrzehnten. Das Virus hatte dort leichtes Spiel, weil jahrelang nur gut die Hälfte aller Kinder geimpft wurden. Das lag aber nicht an Impfgegnern, sondern den fehlenden Mitteln des Staates für Auflärungs- und Impfkampagnen.

»Pragmatismus« – Die verbotene Abkürzung

Die Intensivstationen laufen voll. Menschen sterben, weil sich das Virus in Altenheimen wie am »All you can eat«-Buffet verhält. Die Hütte brennt. Das mit allen Mitteln zu löschen wäre pragmatisch.

Aber Pragmatismus ist kein Wert an sich. Freiheit schon. Ich kann als Regierung eine Situation so lange eskalieren lassen, bis eine vollkommen absurde, unter normalen Umständen undenkbare Verhaltensweise die einzige, die letzte Lösung darstellt. Und dann komme ich mit der ultima ratio ums Eck: Alle müssen sich impfen lassen. Ist im Vergleich schneller, billiger und besser zu organisieren. Krankenpflege hingegen ordentlich ausstatten und langfristig am laufen zu halten ist komplex, teuer und wirft in Friedenszeiten keine Ehre ab. Sowas lässt sich nicht in Wählerstimmen ummünzen. Sie erkennen das Muster? Gut.

Der Fuchs, der in eine Falle gerät, beißt sich das Bein ab. Ist pragmatisch, klar, wer will schon als Dekoration auf den Schultern einer reichen Frau enden. Unter normalen Umständen würde der aber nicht im Traum dran denken, sondern Vorsorge treffen und Fangeisen meiden. Fuchs sein, heißt also: Nicht nur stinken, sondern auch schlau sein. Merken!

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Probleme der öffentlichen Debatte

Wer am lautesten schreit, ist nicht immer am besten zu verstehen, nervt aber alle anderen und übertönt jene, die vielleicht wirklich was beitragen könnten. Social Media und konventionelle Medien reiten hier Hand in Hand in den Sonnenuntergang. In der Regel mit den immer selben Phänomenen.

Es immer nur gut meinen und es auch wirklich gut meinen

Als Kritikern wahrgenommenen Menschen gegenüber wird in der Regel nur Unverständnis entgegen gebracht. Entspricht Helen Lovejoy aus der Fernsehserie »Die Simpsons«, die heiklen Situationen stets mit »Kann denn nicht wenigstens einer an die Kinder denken!« begegnet. Problem: Das emotionalisiert und färbt auf die Debatte ab.

Es immer nur gut meinen, es aber nicht wirklich gut meinen

Arschlöcher mit Individualinteressen. Können weg. Version 2.0 von »Des Kaisers neue Kleinder«. Jeder weiß, dass sie nicht aufrichtig sind, aber keiner sagt was. Problem: Machen als Punchingball eine zu gute Figur in medial geführten Debatten. Bekommen mehr Raum, als ihnen zusteht.

Es immer schon gewusst haben nur nie gehört worden sein

Denen gegenüber entwickelt man ein schlechtes Gewissen und lässt ihren seherischen Fähigkeiten zu viel Platz in der Debatte. Mag ja sein, dass sie einen Punkt hatten. Heißt aber nicht, dass es auch für einen zweiten reicht. Problem: Unhinterfragtes Markieren und Akzeptieren der Person als Experte. Argumente werden nicht mehr geprüft.

Kurzes und wiederholendes Erklären in kurzen Sätzen

Wird der Komplexität der Lage nicht gerecht. Nutzung unbrauchbarer Analogien (siehe: Schiefe Beispiele). Zu wenig Zeit für zu viel Thema, da man das Sendeschema nicht aus der Balance bringen darf. Problem: Man fängt immer wieder von vorn an und kommt nicht zum Ende – das aber andauernd.

Inflation des Sloganismus

Es ist mittlerweile von allen schon alles gesagt worden, nur hat noch nicht jeder seine Schlagzeile bekommen. Dieses Posting ist der Beweis. Problem: Getret'ner Quark wird breit, nicht stark.

Exkurs: Schiefe Beispiele

Grundgedanke: Eine Impfung greift irreversibel in Prozesse meines Körpers ein und hat eine ständige, von mir nicht beeinflussbare Wirkung. Klar. Sonst wäre es ja nur ein Hut, den ich auf- und absetze, wie ich Lust habe. Das mit anderen Einschränkungen gleichzusetzen, hinkt als Vergleich, weil wesentliche Aspekte negiert werden. Ja, diese Pflichten gibt es, die haben gute Gründe, sind aber mit Impfpflicht nicht zu vergleichen.

Gurtpflicht

Schützt die Autoinsassen vor tödlichen Verletzungen bei Unfällen.

Warum schief? Ich kann frei entscheiden, ob ich überhaupt mit einem Auto fahren will. Entscheide ich mich dafür, ist der Gurt eine außerhalb meines Körpers angebrachte Apparatur, die ich vor dem Aussteigen entfernen kann.

Tempolimit

Beschränkung des Menschenrechts auf Schallmauerdurchbruch zur Unfallvermeidung.

Warum schief? Weil schlechtestenfalls andere gefährdet werden, ohne dass es dafür eine lebensnotwendige Begründung gäbe. Ich muss nicht mit 180 durch die Spielstraße fahren. Sie auch nicht. Glauben Sie mir.

Schulpflicht

Vorschrift, dass Kinder für neun bis zehn Jahre den Tag in einer Schule statt an einem wirklich lebenswerten Ort zu verbringen und dabei bestenfalls Dinge zu lernen.

Warum schief? So defiztär unser Schulsystem auch sein mag, schafft es doch wenigstens ansatzweise Chancengleichheit über Bildung. Anders ausgedrückt: Wir werden als Gesellschaft nicht von vornherein auf einen bestimmten Grad von Dullihaftigkeit festgelegt, sondern in die Lage gebracht, uns ganz bewusst zum Horst zu machen – wenn wir das wollen. So langweilig der Unterricht auch sein mag: Er schadet nicht. So viel Fairness muss sein.

Fallen Ihnen noch welche ein? Lassen Sie es mich in den Kommentaren wissen!

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Wie kann man die Impfbereitschaft senken?

Manchmal kommt man nicht voran. Man weiß nicht wie es weitergehen soll. Aber man kann formulieren, wie es auf keinen Fall sein soll. Unbehagen bedeutet ja nicht, dass man doof ist, sondern Widerspruch fühlt, ohne ihn intellektuell zu verstehen.

Allgemeine Zwangsmaßnahmen ohne vorheriges Ausschöpfen aller milderen Mittel

Gleich voll rein hauen. Wenn man sich Feinde machen will, ist das der beste Weg. Vielleicht steht das in einem dieser seltsamen Bücher, geschrieben vor drölftausend Jahren von chinesischen Genrälen, Wunderheilern und Hundezüchtern: »Züchtige sie für kleinstes auf das Härteste, so dass sie verstehen: Kein Umtausch ohne Kassenbon!«. Glückskeks-Botschaften für Sadisten. Braucht kein Mensch. Schon gar nicht die, die in den Neunzigern ein totalitätes Regime hinter sich gebracht haben und seitdem nur verarscht worden sind.

Den Menschen das Gefühl geben, sich impfen zu lassen hilft den Verwertungsmechanismen der Gesellschaft mehr als einem selbst

Klassisches Eigentor des Kapitalismus. Allen erzählen, sie seien für sich und nur für sich verantwortlich, kleine Könige, ständig im Wettkampf um den Platz an der Sonne. Dann verhalten sich die Leute auch so. Alles, was ihnen nicht erkennbar dient, nutzt irgendwem anders. Das ist aber nicht erträglich, denn der Zweite im Rennen ist der erste Verlierer. Auch hier ist der 0815-Ossi sensibler, weil er noch eine vage Erinnerung daran hat, wie es war, als das ICH im WIR aufgegangen ist. Ja, war nicht alles schlecht. Aber auch nicht alles gut.

Kritiker abwerten statt zu widerlegen

Argumentatives Jiu-Jitsu ist nix für jedermann. Da stehen viele gegen einen. Wenn uns Hollywood etwas gelernt hat, dass wir in der medialen Inszenierung immer für den Underdog sind. Die vielen Bescheidwisser gegen den Renegaden. Wem vertraue ich spontan mehr: Prof. Dr. Flaschenhals vom Uniklinikum linksrechts der Wupper, der mich als Kassenpatienten zuweilen nicht mit dem Poppes anschaut? Oder dem einen Dude, der sich heroisch für mich in den Ring stürzt, halbwegs über die Runden kommt und ab und zu einen Wirkungstreffer setzen kann? Schlechte Nachrichten, Doc: Du bist es nicht.

Kritiker abwerten, die Zweite

Hyperaktive Medienformate, die für die Bescheidwisser-Bubble bekannte Wahrheiten wiederholen und dieses wohlige »Wir gegen Die«-Zäpfchen verabreicht. Unsichere Menschen nehmen solche Zuschreibungen an. Das sind selbsterfüllende Prophezeihungen im Stile von »Mädchen können kein Mathe« und »Jungs weinen nicht«. Die Folgen sind bekannt. Aber dagegen kann man dann ja wieder neue Formate auf YouTube etablieren, bezahlt von denen, die… Moment, das sind ja die, denen man nicht zutraut, von der Raufaser bis zur Wand zu denken? Redlich geht anders.

Wie könnte man die Impfzahlen steigern?

Gehen wir davon aus, dass sich jeder impfen sollte. Wir wollen nicht, dass die Leute krank werden und sterben. Das ist empathisch und ehrenwert und bei solchen Kampagnen haben Sie mich immer an Ihrer Seite. Doch wie machen? Ist relativ einfach, aber anstrengend.

Tue Gutes und rede darüber

Man muss dafür werben, werben und nochmals werben. Werben heißt: Vorzüge preisen. Nicht: Kunden verschrecken. Wenn im Acht-Sterne-Restaurant der Lokus überläuft, kann die Küche die besten Einhorn-Ragouts auf Pflanzenbasis drechseln – blöderweise verschreckt der Gestank jede potenzielle Kundschaft. (Und wer schonmal Einhorn auf Pflanzenbasis hatte, weiß, wie diese Fürze riechen!)

Wenn Du es baust, werden sie kommen

Die Restriktionen sind allgegenwärtig – Impf- und Booster-Angebote aber nicht. An jedem Zeitungskiosk steht ein Schild, dass ich nur mit Maske rein darf. Daran ist nichts auszusetzen. Doch will man die Leute zum Impfen bringen, muss man ihnen die Kanüle buchstäblich vor die Nase halten. Wenn ich mich im Amtsblatt oder der hiesigen Zeitung durch unzählige Seiten klicken muss, um zu erfahren, das heute, wo ich mal Zeit hätte, nichts angeboten wird, dafür aber morgen, wo es auch noch ginge, dann aber am Arsch der Welt… haben viele schon längst die Lust verloren. Rein in die Apotheken, Sanitätshäuser, Einkaufszentren, Schulen, Betriebe usw. – Dort wo die Leute sind, sind die Oberarme.

Shut the duck up!

Sich nicht mehr mit den Corona-Leugnern beschäftigen. Stattdessen alle Aufmerksamkeit auf die Verunsicherten, die Ängstlichen, die Uninformierten legen. Und ihre Sprache sprechen! Das Leben ist kein Oberseminar, in der das bessere, aber zuweilen trockene Argument im Rahmen der gewaltlosen Kommunikation siegt. Wichtiges verkauft man mit Emotionen. Oh Boy, eure Gegner machen es euch doch vor! Die Leute hängen bei Telegram ab, weil das ein Gefühl vermittelt. Die sind nicht dort wegen der Wahrheit (TM), sondern wegen des Gruppengefühls.

Show, don't tell

Seiteneffekte überfüllter Intensivstationen deutlicher markieren: Gefahr für Unfallopfer, abgesagte Termin-OPs, Patienten, die ihren Arzt nicht mehr erreichen, weil der im Corona-Stress ist oder sich nicht aus der Wohnung wagen, all so etwas.

Überhaupt mal noch zu besprechen

Was tun wir mit Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus? Surprise, Surprise: Das sind mehr als nur drei Leute. Und die leben auch nicht versteckt und isoliert im Wald, sondern sind Bewohner abtauchenswürdiger Metropolen.

Was ist mit Ländern, die sich den ganzen Zirkus – Impfmittelbeschaffung, Distribution, Versorgung – nicht leisten können? Entvölkern die Viren der Pauschaltouristen dann die Landstriche von Entwicklungsländern? (Gestern von einem afrikanischen Land gehört, dass wahrscheinlich größer als Deutschland ist, landesweit aber nur 8 ITS-Betten besitzt. In Worten: acht.)

Wie können wir mit Menschen reden, die anders strukturiert denken als wir? Zitat Ethikrat zum Thema aus dem Kontext der Debatte um die Masernimpfung:

Wenn sich Laien nicht einfach auf ihr Bauchgefühl verlassen wollen, müssen sie dem Versprechen der evidenzbasierten Medizin Glauben schenken, dass eine rationale Abwägung des potenziellen Nutzens einer Impfung gegenüber potenziellen Schäden zwar sehr aufwendig, aber durchaus in prinzipiell für alle nachvollziehbarer Weise möglich ist. Diesen Nutzen empirisch abzuschätzen, ist für Laien allein eine ebenso unlösbare Aufgabe, wie die Beantwortung der normativen Frage, welches Verhältnis von Chancen zu Risiken als „angemessen“ gelten kann. Selbst wer dazu in der Lage ist, epidemiologische Studien zu lesen und zu verstehen, müsste an der schieren Fleißaufgabe scheitern, die Vielzahl der weltweit erscheinenden Studienauszuwerten.

Die Frage: Wer macht es?

Fazit

Danke für's bis hierher durchhalten und lesen. Ich habe ja auch bloß keine Ahnung. Aber… nein, kein aber. Ich bin ein Hulot von geringem Verstand, der nichts zu fürchten braucht. Vielleicht ist das alles nur ein riesiger Haufen Unsinn. Machen Sie das beste draus.

Und wenn Sie noch ein paar Ideen hierlassen möchten, dürfen Sie sich da ↓ unten in den Kommentaren auslassen. Aber nicht schubsen, ich hab Weißwein im Beutel.

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Corona